In Wales gibt es zwei eindeutige Anzeichen dafür, dass der Frühling naht: die blühenden Osterglocken und das Eröffnungsspiel der Six Nations Championship. Das am ersten Februarwochenende beginnende Turnier ist nicht nur Europas größtes Rugby-Spektakel, sondern auch ein Sportevent, das in der walisischen Kultur einen einzigartigen Platz einnimmt.
Rugby gilt seit langem als Nationalsport von Wales. Wir haben dieses Spiel Ende des 19. Jahrhunderts in unsere Herzen geschlossen. Erst in den letzten Jahren wurde die Vormachtstellung im Rugbysports dank der hervorragenden Leistungen der walisischen Fußballmannschaft auf der internationalen Bühne in Frage gestellt – aber das ist ein Thema für ein anderes Mal.
Bei der Six Nations-Meisterschaft, die über zwei Monate geht, tritt Wales gegen die Rugby-Nationalmannschaften von England, Irland, Schottland, Frankreich und Italien an (insgesamt sind dies die „sechs Nationen“ des Turniers). Während andere Austragungsstädte die Fans für ihre Spiele in die Außenbezirke schicken, liegt unser Principality Stadium mitten im Herzen von Cardiff. Spieltage in Cardiff sind wie Karneval, der das Stadtzentrum in Beschlag nimmt, wenn Tausende Fans in den scharlachroten Trikots der walisischen Mannschaft anreisen.
Das Turnier der Männer hat bisher traditionell die meiste Aufmerksamkeit bekommen, aber das ändert sich gerade. Die Meisterschaft der Frauen folgt ihnen dicht auf den Fersen, wobei die Heimspiele im Cardiff Arms Park ausgetragen werden, das direkt neben dem Principality Stadium liegt. Außerdem gibt es noch ein U20-Six-Nations-Turnier, bei dem man die Rugby-Stars von morgen zu sehen bekommt.
Wie das Six Nations-Turnier funktioniert
Die Meisterschaft wird an fünf Wochenenden ausgetragen, wobei alle Mannschaften einmal gegeneinander spielen. In der Mitte des Turniers gibt es ein spielfreies Wochenende, an dem sich die Spieler (und Zuschauer) eine wohlverdiente Pause gönnen können. Die Spiele finden samstags und sonntags statt, bis zur letzten Runde, in der dann alle drei verbleibenden Spiele am „Super Saturday“ entschieden werden.
In geraden Jahren sind drei seiner fünf Spiele für Wales Heimspiele. Dabei handelt es sich immer um die Spiele gegen Frankreich, Italien und Schottland – leicht zu merken, denn das sind die drei Mannschaften, die in Blau spielen. In den ungeraden Jahren hat Wales nur zwei Heimspiele in Cardiff, gegen England und Irland.
Es zählt nicht nur der Sieg. Seit 2017 wird bei den Six Nations ein „Bonuspunktesystem“ angewandt, um kämpferisches Spiel auf dem Feld zu belohnen. Für eine Niederlage erhalten die Teams keine Punkte, für ein Unentschieden zwei und für einen Sieg vier. Darüber hinaus erhält eine unterlegene Mannschaft einen Bonuspunkt, wenn sie bis auf sieben Punkte an den Sieger herankommt. Einen zusätzlichen Punkt gibt es für jede Mannschaft, die in einem Spiel vier oder mehr Versuche erzielt hat.
Einen zusätzlichen Bonus von drei Punkten gibt es für das Erreichen des Grand Slam durch den Sieg in jedem Spiel – die ultimative Leistung eines Six Nations-Teams. Und obwohl dies keinen Einfluss auf den Ausgang des Wettbewerbs hat, werden Sie von der Triple Crown hören, die an jede Heimnation (Wales, England, Schottland oder Irland) vergeben wird, die alle anderen drei Mannschaften besiegt.
Wenn am Ende des Turniers die Punkte zusammengezählt werden, gibt es eine Auszeichnung, die niemand haben will. Die Mannschaft, die den letzten Platz belegt, wird mit dem Holzlöffel ausgezeichnet – nicht zu verwechseln mit einem walisischen Liebeslöffel. Dieses Schicksal ereilte eine walisische Six Nations-Mannschaft bisher nur einmal, im Jahr 2003.
Der älteste internationale Rugby-Wettbewerb der Welt
Die Geschichte des Six Nations-Turniers reicht mehr als 140 Jahre zurück. Direkter Vorläufer war die Heim-Meisterschaft in Großbritannien, die am 16. Dezember 1883 eröffnet wurde, als Wales in Swansea gegen England antrat (und verlor).
Mit dem Beitritt Frankreichs im Jahr 1910 wurde das Turnier zur Five Nations-Meisterschaft. Das Format blieb für den Rest des Jahrhunderts mehr oder weniger gleich, unterbrochen von zwei Weltkriegen sowie den 1930er Jahren, als die Franzosen wegen des Einsatzes von Profispielern in einem damals noch reinen Amateursport aus dem Turnier geworfen wurden. Im Jahr 2000 kam Italien dazu und leitete damit die moderne Ära ein.
Die Six Nations-Meisterschaft der Frauen ist zwar viel jünger, hat aber eine ähnliche Entwicklung durchgemacht. Erstmals 1996 als Heim-Meisterschaft ausgetragen, wurde sie 1999 zur Five Nations-Meisterschaft und wuchs 2002 zur heutigen Wettkampfgröße an.
Im Laufe der Jahre hat sich das Schicksal unserer Nationalmannschaft immer wieder geändert. Waliser älteren Semesters werden bei der Erwähnung der 1970er Jahre, als Spieler wie Gareth Edwards, JPR Williams und Barry John dazu beitrugen, dass Wales so gut wie unschlagbar war, ein wenig wehmütig werden. Es folgte eine Durststrecke, doch 2005 kehrten die Männer in Rot zurück und gewannen den ersten von vier Grand-Slam-Titeln beim Six Nations – eine Bilanz, die nur von Frankreich übertroffen wird. Insgesamt hat Wales das moderne Turnier sechs Mal gewonnen und liegt damit in der ewigen Bestenliste auf Platz zwei hinter England.
Countdown bis zum Anpfiff
Die Atmosphäre in Cardiff an einem Spieltag ist etwas ganz Besonderes. Die Straßen rund um das Principality Stadium sind für den Verkehr gesperrt und verwandeln sich in einen Strom begeisterter Fans, sobald der Anpfiff naht. Davon profitieren auch die Straßenhändler und die örtlichen Bars und Sie brauchen nicht lange zu suchen, wenn Sie einen Rugby-Schal oder einen Narzissenhut kaufen, sich einen roten Drachen ins Gesicht malen lassen oder vor dem Spiel noch schnell etwas trinken oder essen wollen.
Im Stadion sitzen dann Heim- und Auswärtsfans jeden Alters zusammen. Es gibt eine musikalische Einstimmung, oft mit Chorgesängen und einer Militärkapelle, bis die Spieler dann, begleitet von Feuerwerk, aufs Spielfeld laufen. Nur wenige sportliche Momente kommen an die Vorfreude und an den Stolz heran, wenn die Nationalhymne Hen Wlad fy Nhadau von den Tribünen widerhallt.
Und die Musik und der Gesang hören nicht auf. Wie auch immer das Glück der walisischen Mannschaft an jenem Tag aussehen mag, kaum jemand würde bestreiten, dass unsere Fans die Spieler am besten mit Gesang anfeuern können. Das klassische Repertoire umfasst die walisischen Hymnen Calon Lân und Cwm Rhondda, das Volkslied Sosban Fach und die Rugby-Hymne Hymns and Arias von Max Boyce – unterbrochen von gelegentlichen Fanfarenklängen der Mariachi-Band.
Wenn Sie ein Spiel der Six Nations in Cardiff selbst erleben möchten, sollten Sie unbedingt im Voraus planen. Eintrittskarten sind bei der Welsh Rugby-Union erhältlich und es lohnt sich, einen Blick auf die Website des Principality Stadium zu werfen.
Die Unterkünfte sind meist lange im Voraus ausgebucht: Auf der Webseite von Visit Wales finden Sie Anregungen.
Am Spieltag selbst gibt es am Bahnhof spezielle Warteschlangensysteme und viele Streckenposten helfen Ihnen, die richtigen Verbindungen und Eingänge zu finden. Wenn Sie außerhalb von Cardiff wohnen und mit dem Auto anreisen, sind die Park-and-Ride-Parkplätze eine gute Wahl.
Auch ist es eine gute Idee, einen Platz zu reservieren, wenn Sie die beliebtesten Bars oder Restaurants im Stadtzentrum ansteuern wollen. Wie auch immer das Ergebnis ausfällt, die Party wird garantiert bis in die frühen Morgenstunden andauern!