Ich habe mich nicht für Wales entschieden, sondern Wales hat mich gewählt. Nachdem ich von Deutschland nach Birmingham gezogen bin, kam ich für eine Konferenz nach Cardiff und verliebte mich sofort in die Stadt. Dies inspirierte mich dazu, mich auf eine Stelle an der Universität Cardiff zu bewerben, und als das Angebot eintraf, nahm ich es mit Begeisterung an – ich wusste bereits von dem Potenzial für eine höhere Lebensqualität in Wales.
Ich war zunächst als Programmdirektorin für Deutsch an der Universität tätig, später übernahm ich meine derzeitige Rolle als Dozentin und Co-Direktorin für internationales Engagement an der Musikhochschule der Universität.
Durch meine Doppelrolle als Dozentin für Musikgeschichte und als Co-Direktorin für internationales Engagement an der Musikhochschule der Universität Cardiff sowie meinen deutschen Hintergrund habe ich einen einzigartigen Blick auf die walisische Kultur und deren kreative Vielseitigkeit erlangt. Die vielfältige keltische Kreativität durchdringt das Land und die Kultur auf so viele verschiedene Arten. Neben seinen europäischen Nachbarn ist Wales zwar eine vergleichsweise kleine Nation, im Alltag der Menschen spielt Tradition jedoch immer noch eine sehr wichtige Rolle.
Auch heutzutage ist das walisische Volk immer noch sehr eng mit seinen Traditionen, wie der Folklore und den vielen Legenden sowie mit seiner Musik, verbunden. Das zeigt sich zum Beispiel in der Vielzahl an Festivals, mit denen die Waliser die eigene Kultur und Kreativität feiern. Das Gefühl von Zugehörigkeit und Gemeinschaft erlebe ich hier als wesentlich stärker verankert, als ich es jemals irgendwo anders erlebt habe. Es ist mir daher leichtgefallen Gleichgesinnte zu finden, die meine Liebe zu Musik, Kunst, Geschichte und Mythos teilen.
Auch mein Heimatland Deutschland ein Land, das sehr reich an Kultur und Kreativität ist. Allerdings gibt es einige ganz besondere Aspekte der walisischen Kultur, die anderswo schwer zu finden sind. Wie zum Beispiel die wunderbare Tradition des Gesangs, insbesondere des Chorgesangs, die die Nation prägt und verbindet. Walisischen Gesang zu hören, sei es von einem professionellen Chor oder einer Reihe von Rugby-Fans, ist ein unvergessliches Erlebnis.
Der Sport ist generell ein wichtiges Element in der walisischen Kultur und Kreativität. Der Erfolg der Fußball-Nationalmannschaft bei der Euro 2016 – als die Mannschaft das Halbfinale erreichte – war ein echter Wendepunkt, um diese besondere walisische Identität auf die internationale Bühne zu bringen. Damals klingelte mein Bürotelefon ununterbrochen, als ein deutscher Fernsehsender nach dem anderen anrief, um mich zu fragen, wie es sich anfühlt, in einer so aufregenden Zeit als Deutsche in Wales zu leben. Seit dem Turnier haben immer mehr meiner Freunde und Familienangehörigen in Deutschland großes Interesse daran gezeigt, Wales zu bereisen, um die Besonderheiten des Landes selbst zu erleben.
Seit ich in Cardiff lebe, bin ich beeindruckt von der vielfältigen Kultur – direkt vor meiner Tür. Durch gemeinsame Projekte zwischen der Universität und den Kollegen der Walisischen Nationaloper konnte ich enge Verbindungen mit einer der besten Theatergruppen der Welt aufbauen. Das kam sowohl mir als auch meinen Studenten zugute.
Der Lebensstil in Cardiff ist für eine Hauptstadt Europas relativ entspannt. Die Menschen sind gastfreundlich, zuvorkommend und unkompliziert. Das ist mein erster Wohnort, an dem ein Busfahrer auf mich gewartet hat, anstatt einfach wegzuschauen und loszufahren! Es sind genau diese kleinen Gesten, die das Leben hier so angenehm machen.
Die Stadt hat eine ideale Größe: Sie bietet alle Vorteile des Lebens in einer Hauptstadt, aber nur sehr wenige Nachteile: keine langen Pendelstrecken, keine überfüllten Straßen oder verschmutzte Luft. Die Brise, die von der Bucht von Cardiff herüberweht, ist zweifellos erfrischend!
Dies hat mir geholfen, mich einzuleben, Freunde und Bekannte zu finden und meine Karriere weiter voranzutreiben. Es ist etwas Besonderes für die Waliser in Cardiff, die vielen Veranstaltungen, Aktivitäten und Orte von nationaler Bedeutung zu erleben, die das Herzstück von Wales sind. Daran werde ich jeden Tag erinnert, wenn ich auf meinem Weg zur Arbeit an dem beeindruckenden Nationalmuseum vorbeikomme.
Die walisische Gastfreundschaft ist jedoch bei Weitem nicht auf die Stadt Cardiff beschränkt. Wales ist ein sehr egalitäres Land, dessen Schätze – wie die Nationalbibliothek von Wales in Aberystwyth – über das ganze Land verteilt sind. Die zwei bedeutendsten Eindrücke auf meiner Reise durch Wales waren die unberührte schöne Landschaft sowie die Gastfreundschaft der Einwohner und deren ungezwungene Herzlichkeit.