Wrexham ist der Ort, an dem die Geschichte des walisischen Fußballs ihre Anfänge nahm. Im Stadion der Stadt „The Racecourse“ bestritt Wales 1877 sein erstes internationales Heimspiel – eine 0:2-Niederlage gegen Schottland – und im Wynnstay Arms Hotel, das heute noch steht, wurde der walisische Fußballverband (FAW), der Dachverband des Landes, gegründet.
Aufgrund dieses fußballerischen Erbes wird in Wrexham 2025 das „Fußballmuseum von Wales“ eröffnet, ein Projekt, an dem ich derzeit mitwirke. Das Museum wird die Geschichte des Sports in Wales erzählen und Ausstellungen sowie Artefakte aus Vergangenheit und Gegenwart zeigen.
Und dann ist da natürlich noch die nicht ganz unwichtige Tatsache, dass der Wrexham AFC der älteste Fußballverein in Wales ist. Seine Geschichte reicht bis ins Jahr 1864 zurück, als die Mannschaft ein Spiel gegen die örtliche Feuerwache bestritt. Dies war sozusagen die Geburtsstunde des Fußballs in Wales, als Arbeiter in Amateurvereinen wie dem „Chirk and Druids FC“ um den Welsh Cup kämpften, ein Wettbewerb, der auch heute noch ausgetragen wird. Zunächst verbreitete sich das Fußballspiel im Norden des Landes und wurde erst später im Süden bekannt, einer Region, in der sich Rugby – eine weitere beliebte Sportart in Wales – großer Popularität erfreute. Erst mehr als dreißig Jahre später (zwischen 1899 und 1912) wurden die heute bekannten Fußballvereine Cardiff City, Swansea City und Newport County AFC gegründet.
Mit der Nationalmannschaft ging es jedoch schon 1876 los, als der Rechtsanwalt Llewelyn Kenrick aus der Gegend von Wrexham, via Zeitungsanzeige Spieler für ein Länderspiel gegen Schottland suchte. Er reiste mit einer Mannschaft, zu der auch ein Steinmetz, ein Bergmann und ein Schornsteinfeger gehörten, nach Glasgow, wo sie von der Heimmannschaft mit 0:4 geschlagen wurde. Auch die nächsten sieben Spiele verlor Wales.
Diese frühen Niederlagen prägten den internationalen Männerfußball in Wales für die nächsten 100 Jahre. Mit Ausnahme des fantastischen Viertelfinales bei der WM 1958, als Wales knapp gegen die brasilianische Nationalmannschaft mit dem 17-jährigen Pelé verlor sowie der 1:3-Niederlage gegen Jugoslawien im Viertelfinale der EM 76, konnte sich Wales für kein größeres Turnier qualifizieren. Es folgten eine Reihe miserabler Spiele und quälender „Was wäre wenn“-Momente, in denen die Mannschaft oft auf dramatische Weise an der Hürde der Qualifikation scheiterte.
Zu den denkwürdigen Beinahe-Pleiten zählte auch das umstrittene WM-Qualifikationsspiel 1977 gegen Schottland, als dem schottischen Nationalspieler Joe Jordan trotz Handspiel der entscheidende Elfmeter zugesprochen wurde sowie das Spiel zur Qualifikation für die WM 1994 gegen Rumänien in Cardiff. Damals schoß Paul Bodin einen Elfmeter, der den Sieg für Wales besiegelt hätte, über die Latte.
Zur gleichen Zeit sah es für den Frauenfußball noch schlechter aus. Der Sport hielt Einzug durch den „British Ladies Football Club“ aus London, einer der ersten Frauenmannschaften der Welt, die im späten 19. Jahrhundert mehrmals durch Wales tourten und viele Zuschauer anlockten. Das allgemeine Interesse am Frauenfußball wuchs während des Ersten Weltkriegs, als Frauen, die in den Munitionsfabriken für die in den Krieg gezogenen Männer arbeiteten, Mannschaften gründeten. Eine Reihe von Spielen – in der Regel waren dies Wohltätigkeitsspiele, um Geld für Kriegsanstrengungen zu sammeln – wurden auf dem Racecourse-Gelände in Wrexham ausgetragen. Darunter war auch ein Spiel des berühmten „Dick, Kerr Ladies FC“ aus Preston, das am zweiten Weihnachtsfeiertag 1920 vor 53.000 Zuschauern im Goodison Park-Stadion von Everton stattfand.
Doch dann kam das Spielverbot, das zunächst vom englischen Fußballverband initiiert und dann 1922 vom walisischen Fußballverband übernommen wurde. Es verbot Frauen das Fußballspielen in allen, der FAW angeschlossenen Stadien, was die Organisation von Spielen extrem erschwerte und den aufstrebenden Sport zu einer Minderheitensportart machte. Begründet wurde das Verbot damit, dass der Fußball als ungeeignet („zu körperlich"“) für Frauen angesehen wurde. Doch der Verdacht liegt nahe, dass die Männer nicht mit der Popularität des Frauenfußballs einverstanden waren. Bis 1970 blieb Frauenfußball in Wales verboten.
Glücklicherweise hat sich die Situation im walisischen Fußball sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen in jüngster Zeit geändert.
Mit der Ernennung von Gary Speed zum Trainer der Fußballnationalmannschaft der Männer im Jahr 2011 begann eine neue Ära eines beispiellosen Erfolgs. Das Team, das in der Weltrangliste auf Platz 117 hinter Nordkorea und den Färöer-Inseln abgerutscht war, qualifizierte sich für die Euro 2016. Unter Speeds Nachfolger Chris Coleman schaffte es die Mannschaft bis ins Halbfinale des Wettbewerbs, inklusive eines eindrucksvollen 3:1-Sieges gegen Belgien. Der Sommer 2016 hat den Fußball in Wales verändert und die Mannschaft – bestehend aus bekannten Namen wie Gareth Bale, Aaron Ramsey und Joe Allen – wurde nach ihrer Rückkehr in einem offenen Bus in den Straßen von Cardiff gefeiert.
Die Jubelszenen zeigten, wie weit sich der walisische Fußball seit der Weltmeisterschaft 1958 entwickelt hat. Damals soll einer der heimkehrenden Spieler von einem Zugbegleiter am Bahnhof von Swansea unschuldig gefragt worden sein, wo er in seinem Urlaub gewesen sei.
Unter der Leitung von Rob Page hat sich die Mannschaft nach dem Erfolg bei der EM nun auch für die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft 2022 qualifiziert. Durch das großartige Spiel im Cardiff City Stadium, bei dem das Team die Ukraine schlug, sicherte sich Wales zum zweiten Mal in der Geschichte die Teilnahme an einer WM.
Nach der Aufhebung des Spielverbots im Jahr 1970 erlebt auch die Fußballnationalmannschaft der Frauen in jüngster Zeit eine Erfolgsphase. Zwar verpasste sie knapp die Qualifikationen zur WM 2019 und 2023 (letztere durch eine schmerzliche Niederlage gegen die Schweiz in der letzten Minute der Verlängerung), erreichte jedoch ihren bisher höchsten FIFA-Rang (Platz 29 der Weltrangliste). Der zunehmende Erfolg auf dem Spielfeld hat zweifellos auch zum Wachstum des Frauenfußballs als Breitensportart beigetragen, wobei die Zahl der Mädchen und Frauen, die in Wales Fußball spielen, zwischen 2017 und 2020 um 50% gestiegen ist.
Auch der Vereinsfußball befindet sich in einer guten Position: Cardiff City und Swansea City haben sich in den letzten Jahren in der höchsten englischen Liga etabliert, während in der heimischen Adran Premier League acht Frauenteams pro Saison antreten.
Nachdem wir in der Stadt Wrexham mit unserem kleinen Geschichtsüberblick begonnen haben, ist es nur recht und billig, auch dort zu enden.
In einer der wohl surrealsten Episoden der walisischen Fußballgeschichte machte der Wrexham AFC im Jahr 2020 Schlagzeilen, nachdem das Hollywood-Duo Ryan Reynolds und Rob McElhenney ein erfolgreiches Übernahmeangebot für den Club abgegeben hatte.
Obwohl viele die Idee, dass zwei Schauspieler einen walisischen Fußballverein leiten wollen, der noch dazu in der wenig glamourösen fünften englischen Liga spielt, zunächst für einen Scherz hielten, meinten es die neuen Eigentümer bitterernst. Mit ihren Ambitionen, dem Verein zu altem Ruhm zu verhelfen, steht das historische Team von Wrexham seither im Rampenlicht der Weltöffentlichkeit und erfreut sich großer Sponsoren, rekordverdächtiger Ticketverkäufe und umfangreicher Werbekampagnen auf den beliebten Social-Media-Kanälen der neuen Eigentümer.
Diese Entwicklung schreibt in der Geschichte des Fußballs in Wrexham ein weiteres Kapitel und ist die jüngste (eher überraschende) Wendung in der langen Beziehung von Wales zum runden Leder – und es gibt noch viel mehr Geschichte zu schreiben.